Zu Besuch in Neuruppin

Ich traf Sven bei einem Bekannten in Berlin: still war er, in sich gekehrt, selten im Gespräch mit anderen, oft etwas bedrückt. Trotzdem (oder gerade deswegen) fand ihn vom ersten Zusammentreffen an interessant; ich war in Hoffnung, mehr von ihm zu erfahren, wir kamen aber nicht wirklich in Kontakt miteinander. Ich hätte wohl die Initiative deutlicher ergreifen sollen. Und dann tauchte er bei dem Bekannten leider nicht mehr auf; vor ein paar Wochen aber schrieb Sven mich bei Facebook unerwartet an. Das war mir eine große Freude zur rechten Zeit!

Kurze Zeit später kam er nach Berlin, wollte hier einen Kumpel und tagsdrauf seinen Vater treffen. Ich bot ihm nur zu gerne an, bei mir zu übernachten. Wir machten einen ausgiebigen Spaziergang am Malchower See, den ich lange Zeit doch ziemlich vernachlässigt hatte. Es machte Spaß, mit Sven über dies und das zu plaudern. Was wußte ich vorher schon von ihm? Das Gespräch mußte aber ich am Laufen halten, Sven ist ganz sicher keine Plaudertasche, ganz im Gegenteil!

Nun wollte ich meinerseits Sven in seiner Heimatstadt Neuruppin mal besuchen; da war ich bisher nur einmal, und das war vor vielen Jahren zu Zeiten der DDR. Damals ging es darum, einem jungen Christen – Mitglied der Esperanto-Jugend – gegen linke Betonköpfe von der SED beizustehen, die ihn nicht auf die Erweiterte Oberschule (EOS) lassen wollten – offensichtlich aus ideologischen Gründen (evtl. weil sein Vater Pfarrer war). Als politischer Mitarbeiter der NDPD hatte ich mich oft gegen solche Borniertheit der Genossen und ihrer Trittbrettfahrer engagiert. Diesmal in Zusammenarbeit mit der örtlichen CDU. Doch das liegt weit zurück.

Sven holte mich um 12.30 Uhr vom Bahnhof in Neuruppin ab, mit seinem für ihn so typischen Lächeln, was ich bereits am Malchower See ausgiebig hatte genießen dürfen. Wir liefen Richtung Schulplatz die Karl-Marx-Straße entlang und trafen auf etliche Hinweise, daß Neuruppin auf seinen Sohn Fontane verdammt stolz ist. In Auslagen, an Gebäuden, Plätzen, auf Hinweisschildern. Theodor Fontane war allgegenwärtig. Sven war das aber offenkundig ziemlich schnuppe; möglich, daß er meine Begeisterung dafür für die Marotte eines doch ziemlich alten Mannes hielt.

am Bhf. Rheinsberger Tor, Neuruppin
auf der Karl-Marx-Straße

Wir hatten schon vor meinem Besuch in Neuruppin miteinander verabredet, uns zu einer Tasse Kaffee gemütlich hinzusetzen, um miteinander zu plaudern. Also suchten wir uns auf dem Schulplatz ein schattiges Plätzchen und tranken unseren Kaffee, der war übrigens hervorragend.

auf dem Schulplatz
auf dem Schulplatz
auf dem Schulplatz

Im Hintergrund spielten Kinder an einem Brunnen, dessen Fontänen mal höher, mal niedriger das Wasser in die Luft stießen. Die Kinder jauchzten vor Vergnügen. Rechts hinter Sven erstreckte sich ein kleiner Markt mit diversen Angeboten: Obst und Gemüse, Backwaren, Kräuter, Honig und dergleichen. Und obwohl es ein heißer Tag war, wehte ständig eine leichte Brise, die das Sommerwetter doch sehr erträglich machte. Was für ein schöner Ort!

Wir streiften schließlich auf dem Schulplatz ein wenig umher, schauten uns hie und da die feilgebotenen Waren an und hörten dabei immer deutlicher im Hintergrund Musik und leisen Gesang. Unter den Bäumen eines kleinen Hains saß eine Gruppe beisammen, eine Frau unter ihnen hielt eine Gitarre in der Hand, und sangen christliche Lieder. Was für eine schöne Überraschung.

auf dem Schulplatz

Sven und ich traten herzu, setzten uns auf eine der Bänke unter den Bäumen und lauschten. Ein Betrunkener pöbelte leider etwas herum, aber na ja. So sehr mich die ganze Gruppe ob ihres Tuns anzog, so schlug mich doch vor allem der junge Mann unter ihnen in seinen Bann, weshalb ich auch zur Kamera griff. Während andere junge sog. Gläubige, zum Beispiel aktuell in Frankreich, Belgien und der Schweiz, Anders- und Nichtgläubigen im Namen Allahs Schaden antun, saß der hier und verbreitete Freude und Erbauung. Zudem war er ein hübscher Kerl. Wir kamen dann auch noch kurz mit dem Initiator ins Gespräch, Mario Proll aus Neuruppin, der uns seine Visitenkarte überreichte und mir zwei Bücher zum Studium schenkte. Danke dafür!

Unser Weg führte uns langsam zurück zum Bahnhof. Ich war zusehends geschafft. Unterwegs entdeckte ich, daß der Namensbruder eines alten Freundes Nico Kramer hier eine Massage-Praxis betrieb. Das Firmenschild mußte ich unbedingt fotografieren.

auf der Karl-Marx-Straße
Neuruppin Kulturkirche
auf der Karl-Marx-Straße

Zurück am Bhf. Rheinsberger Tor machten wir Rast, um etwas zu trinken. Es war trotz der ständigen Brise ein arg warmer Tag. Sven erzählte, daß er in der Pizzeria am Bahnhof oft Gast ist, und man erkannte ihn auch wirklich wieder und begrüßte ihn wie einen guten, alten Freund. Wir griffen zu Cola, ich auch wegen des Koffeins; meine Batterien waren langsam alle. Sven mir gegenüber sitzend, da konnte ich die Kamera nicht ruhen lassen; schließlich steckte er mir die Zunge raus. C’est la vie! Ich bleibe aber dabei, daß er ein süßer Kerl ist, den man einfach fotografieren muß.

Nebenbei erfuhr ich, daß Sven selben abends noch nach Fürstenfeldbruck in Bayern fahren will. Er hatte ein paar Tage vorher bei Facebook einen David (25 Jahre) kennengelernt, der auf der Suche nach einem Partner ist. C’est la vie! Hatte ich wirklich zu hoffen gedurft? Ich wünsche Sven so oder so alles Gute!

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